IHK-Umfrage zur US-Handelspolitik: Weniger Nachfrage, höhere Kosten, große Unsicherheit
Die US-Zollpolitik hat direkten Einfluss auf die Berliner Unternehmen. Laut einer aktuellen Umfrage unter Berliner Unternehmen mit direkten und indirekten US-Wirtschaftsbeziehungen geben zwei Drittel der Befragten an, negative Auswirkungen zu spüren, 15 Prozent kämpfen sogar mit erheblichen negativen Auswirkungen wie zum Beispiel dem Rückgang von Aufträgen. Insgesamt ist im ersten Halbjahr der Handel mit den USA in Berlin um rund zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesunken. Dass sich die Lage nach der Einigung auf einen Basiszollsatz von 15 Prozent verbessert, erwartet kaum ein Unternehmen. Nur 17 Prozent bewerten die Vereinbarung zwischen den USA und der EU positiv.
Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführerin IHK Berlin: „Die Umfrageergebnisse zeigen deutlich, wie stark die US-Zollpolitik die Berliner Wirtschaft belastet. Die flächendeckende Unsicherheit, zurückgehende Umsätze und eine sinkende Wettbewerbsfähigkeit sind nur einige der Sorgen, mit denen die Unternehmen aktuell zu kämpfen haben. Der jüngste US-EU-Handelsdeal schafft keine wirkliche Erleichterung und muss bei den weiteren Verhandlungen dringend nachgebessert werden. Ein Hoffnungsschimmer liegt in der Umorientierung der Unternehmen hin zu den europäischen Nachbarmärkten und den Wachstumsmärkten in Asien. Damit hier angesichts des schwieriger werdenden US-Marktes neue Geschäftspotenziale für die Berliner Wirtschaft entstehen, muss die EU nun mit umso mehr Freihandelsabkommen besonders für kleine und mittlere Unternehmen Türen öffnen. Auch Bundesregierung und Senat müssen in der Außenwirtschaftsförderung ganz gezielt Anreize für eine Diversifizierung des Außenhandels setzen und den Weg der Unternehmen in neue Märkte effektiv unterstützen.“
Sigrid Bachert, Geschäftsführerin THOMAS HENRY GmbH: „Als Berliner Unternehmen mit hohen Wachstumszielen im Ausland, speziell in den USA, spüren wir die Auswirkungen der sich ständig ändernden US-Handelspolitik sehr deutlich. Die jüngsten Handelsspannungen und die Unsicherheiten bei Zöllen und Handelsabkommen erschweren nicht nur unser laufendes Business, sondern beeinflussen auch langfristige Investitionsentscheidungen. Trotz dieser Herausforderungen sehen wir die USA als einen wichtigen Markt, in den wir weiterhin investieren wollen. Um hier nachhaltig erfolgreich zu sein, benötigen wir verlässliche Rahmenbedingungen und eine klare und vor allem souveräne Handelspolitik, die stabile und planbare Bedingungen schafft. Nur so können wir effizient produzieren, Innovationen vorantreiben und Arbeitsplätze sichern – sowohl in Berlin als auch in unseren Exportmärkten.“
Die Umfrage fand zwischen dem 30. Juli und 4. August statt. Beteiligt haben sich insgesamt 87 Berliner Unternehmen, die direkt und indirekt von der US-Zollpolitik betroffen sind. Rund 92% der befragten Unternehmen beschäftigen unter 200 Mitarbeitende und sind daran gemessen als KMU zu klassifizieren. Die befragten Unternehmen stammen vor allem aus dem Branchensegment EDV (IT) und Elektrotechnik (17%), dem Großhandel (17%) und dem Maschinenbau (12%).
Die Umfrage-Ergebnisse im Überblick
Gut zwei Drittel der befragten Unternehmen erleben negative geschäftliche Auswirkungen, rund 15% der Unternehmen sogar erhebliche negative Auswirkungen. Dazu gehören weniger Nachfrage aus den USA mit Umsatzeinbußen, eine verzögerte Auftragsvergabe durch Kunden aufgrund von gestiegener Unsicherheit sowie insgesamt erschwerte Lieferketten mit höheren Kosten und geringerer Wettbewerbsfähigkeit genannt.
Als größte Belastung nennen gut 40% der befragten Unternehmen die entstandene handelspolitische Unsicherheit verbunden mit der Sorge vor neuen Zöllen. Der künftige US-Basiszollsatz von 15% auf EU-Waren sowie die Instabilität der Finanzmärkte mit einem aus Sicht der hiesigen Unternehmen ungünstigeren Euro-Dollar-Wechselkurs sind weitere Belastungsfaktoren.
Die EU-Vereinbarung mit den USA sieht die Mehrheit der befragten Unternehmen insgesamt negativ: Nur gut 17% der Befragten stimmen der Aussage zu, dass die Einigung mit den USA angesichts der EU-Verhandlungsposition positiv ist und befürworten, dass die EU keine Eskalation durch eigene Gegenmaßnahmen provoziert hat. Dahingegen unterstützen rund 53% der Unternehmen die Aussage, dass die gefundene Einigung mit den USA die europäische Wirtschaft zu stark belastet und die EU im weiteren Verlauf der Verhandlungen eine klare und harte Kante gegenüber der US-Administration zeigen sollte, auch wenn mögliche US-Gegenmaßnahmen die Geschäfte des eigenen Unternehmens treffen.
Die Unternehmen rechnen damit, dass sie die Preise erhöhen müssen, die Kaufzurückhaltung bei US-Kunden anhält und sich die Wettbewerbsnachteile verfestigen.
Befragt nach Reaktionen auf die US-Handels-/Zollpolitik gibt fast jedes dritte Unternehmen an, weniger Handel mit den USA treiben zu wollen. Fast die Hälfte der befragten Unternehmen will jedoch unternehmerisch keine Veränderungen vornehmen.
Mit Blick auf andere Märkte, die angesichts des Handelskonflikts mit den USA an Bedeutung gewinnen könnten, nennt fast die Hälfte der befragten Unternehmen den EU-Binnenmarkt. Mit Abstand dahinter werden weitere europäische Staaten wie UK, Schweiz sowie Norwegen, Liechtenstein und Island (EFTA-Staaten) und darüber hinaus Ost-/Südost-Europa (ohne EU-Staaten) und die Türkei als wichtiger werdende Märkte benannt. Somit nennt ein überragender Anteil der Unternehmen europäische Länder als Märkte mit nunmehr erhöhter geschäftlicher Relevanz in der Zukunft. Unter den außereuropäischen Märkten wird mit Abstand Asien als künftig wichtiger werdende Geschäftsregion genannt.